Historiendokureihe über Geschichte Österreichs
Die Geschichte Österreichs scheint bekannt. Doch es gab Meilensteine, die als Zäsuren wirkten und das Schicksal der jeweils regierenden Monarchen und damit des ganzen Landes beeinflussten. Oft waren es dabei nur ganz kurze Momente, vielfach sogar Zufälle, die über die Zukunft entschieden.
Folge 01 | Die Revolution der Ehe
Zur gleichen Zeit, als Napoleon die Welt mit seinen Feldzügen aus den Fugen hebt, bahnt sich ein neues Phänomen einen Weg durch die aufgeriebene Gesellschaftsordnung: die romantische Liebesehe. Im starken Kontrast zur feudalen Heiratspolitik und den wirtschaftlich motivierten Standesregeln des Adels, setzen sich neue bürgerliche Werte und Moralvorstellungen in der breiten Gesellschaft durch: Die Wichtigkeit von Gefühl und Leidenschaft mit einem Recht auf freie Entscheidung im Bund der Liebe. Damit wird die Liebesehe zum treibenden Motor gesellschaftlicher Veränderungen, die das Verständnis der Rollenbilder und die Vorstellung von Gleichberechtigung bis heute entscheidend beeinflusst. Die außergewöhnlichen Schicksale der Bürgertochter Theresia Kandl und des Fürsten Nikolaus II. Esterházy werden hier zum Sinnbild zweier Welten, die unvereinbar aufeinanderprallen.
Grundthema: das ABGB als Folge der Aufklärung
Historisches Tableau: Aufklärung, napoleonische Zeit, Wiener Kongress
Figuren: Theresia Kandl, Nikolaus Esterhazy
Regionen: Burgenland, Wien
Folge 02 | Industrialisierung
Auslöser der Industrialisierung waren englische Erfindungen vor allem im Textilbereich, bei der Eisen- und Stahlerzeugung und der Nutzung der Dampfkraft. In Österreich beginnt die Industrialisierung mit der Gründung der Spinnerei Pottendorf zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Diese war damals die größte Spinnerei auf dem Kontinent. Die Eisenbahn veränderte dann alles. Sie war die größte Neuerung im Verkehrswesen und wurde zum Sinnbild der industriellen Revolution. Mit der Eisenbahn als Leitmedium und der Erfindung immer neuer Maschinen veränderten sich auch die industriellen Produktionsbedingungen. Aus Manufakturen wurden sehr oft Fabriken, die eine Serienproduktion von Gütern und Waren in vielen verteilten Werkstätten ermöglichte. Dadurch entstand auch eine neue Klasse, die Arbeiterschaft. Große Teile der ländlichen Bevölkerung zogen wegen der wirtschaftlichen Not in die neuen Industriestädte. Hier hausten sie unter schlechten hygienischen Bedingungen in Elendsquartieren.
Grundthema: technischer Fortschritt im Kaisertum Österreich
Historisches Tableau: Zeitalter Erzherzog Johanns, Verbindung von Politik und Industrie
Figuren: John Thornton
Regionen: Steiermark, Niederösterreich
Folge 03 | Freiheit, Gleichheit, Bürgerlichkeit - Die Revolution der Seelen
Rebellion breitet sich von Frankreich ausgehend über Europa bis nach Russland aus; Städte wachsen durch die Landflucht explosiv an; die Arbeitsbedingungen sind hart und die Lebensumstände prekär; das Bürgertum strebt nach Freiheit, Gleichheit und sozialer Sicherheit - dies gipfelt in der Revolution 1848
Eines der „Powerpaare“ der Revolution in Wien: Caroline Perin-Gradenstein, eine Aristokratin, war über 40 Jahre alt, schon verwitwet, mit vier Kindern, und verliebte sich in den Hauslehrer ihrer Tochter, den Klavierlehrer: Alfred Julius Becher, auch schon über 40. Beide waren demokratisch gesinnt, auch die Aristokratin. Für die Gesellschaft also gleich ein doppelter Skandal. Er gab die Zeitschrift „Der Radikale" heraus. Der Name war Programm. Sie finanzierte das. Was Perin dann aber vollends zum Verhängnis wurde: In der Oktoberrevolution veranlasste sie eine Petition, um die Bauern zum Landsturm gegen die Regierung aufzubringen. Sie war also eine Frau, die nicht nur politisch in die Männerdomäne eindrang, sondern auch in militärische Bereiche. Nach der Einnahme von Wien ließ Windisch-Graetz Becher erschießen. Sie wurde gefangen gesetzt, misshandelt, verlor ihr Vermögen, das Sorgerecht für ihren Sohn, musste später nach München gehen und konnte dann erst, nachdem sie eine entschuldigende Rechtfertigungsschrift verfasst hatte, wieder nach Wien zurückkehren.
Grundthema: Herausbildung neuer sozialer Schichten durch die Industrialisierung, Verbindung von Militär und Hof, Ungarn
Historisches Tableau: Revolution 1848/49
Figuren: Karoline Perin-Gradenstein, Alfred Julius Becher
Regionen: Wien, Niederösterreich
Folge 04 | Naturgewalten zwischen Gefahr und Bändigung
Die Beziehung zwischen Mensch und Natur, ein Spannungsfeld der Gegensätze; einerseits beginnt die Industriegesellschaft im 19. Jahrhundert die Natur nach den eigenen Interessen auszubeuten (Abholzung, Alpinismus); andererseits keimt ein erstes Umweltbewusstsein auf und es entstehen Möglichkeiten, die Natur zu bändigen (Donauregulierung). Der junge Wiener Wissenschafter Eduard Suess „wächst“ über seine Expertise in die Politik hinein, kämpft gegen Widerstände in Gremien und setzt schließlich zwei Projekte durch, die Wien zur Weltstadt gemacht haben: Die Hochquell-Leitung und die Donauregulierung. Elisabeth Fleischer und ihr Mann Vinzenz betreiben in der Leopoldstadt ein Lohnkutscherei und wohnen direkt am Donaukanal. Beim verheerenden Hochwasser vom 1. März 1830 verliert sie alle ihre fünf Kinder.
Grundthema: Bändigung von Flüssen und Eroberung von Bergen, Machbarkeitsglaube
Historisches Tableau: Technikzeitalter
Figuren: Elisabeth Fleischer, Eduard Süß
Regionen: Niederösterreich, Wien
Folge 05 | Das Schwarze Gold - Der Ursprung für Licht und Geschwindigkeit
Die zweite Welle der Industrialisierung, geprägt durch die aufstrebende Ölindustrie, bringt erneut noch nie dagewesene Veränderungen für das Leben der Menschen mit sich; die Entdeckung des Petroleums, die Entwicklung der ersten Automobile in Wien bis hin zur Elektrifizierung - dies alles stößt nicht nur auf Begeisterung. Veranschaulicht wird dieser Wandel am Beispiel vom ehemaligen Kutscher Rudolf Hruza, der als Chauffeur der Familie Terramare 1911 auf einer Ausflugsfahrt im Gasteinertal mit seiner Herrschaft im Fahrgastraum von der Straße abkommt...
Grundthema: Für und Wider der frühen Automobilität
Historisches Tableau: öst. Erfinder, Modernisierungsverlierer, Ölförderung in Galizien
Figuren: Ludwig Lohner, Rudolf Hruza, Johann Hlobil
Regionen: Westukraine, Niederösterreich
Folge 06 | Hitlers Wien - Die Jugendjahre eines Autokraten
Beginn des 20. Jahrhunderts; die Gesellschaft verändert sich, doch der alte Kaiser Franz Josef hält an seinen Grundsätzen fest; der junge Hitler sieht die Fehlentwicklungen und Spannungen in der Bevölkerung und zieht seine Schlüsse daraus; er findet schließlich seine wichtigsten Vorbilder - den christlichsozialen Wiener Bürgermeister Karl Lueger und den Alldeutschen Georg von Schönerer.
Der Einzelgänger Adolf Hitler war in seiner Wiener Zeit nur mit wenigen Menschen gut bekannt. Die wichtigsten Bezugspersonen jener Jahre waren August Kubizek und Reinhold Hanisch.
Grundthema: die denkerischen Strömungen in der Vielvölkermetropole
Historisches Tableau: Hitlers Aufenthalte in Wien
Figuren: Else Richter, Reinhold Hanisch
Regionen: Wien
Folge 07 | Nationalitätenfrage - Blutige Grenzen
Vieles, was den Lauf der österreichischen Geschichte beeinflusste, kam aus dem Osten – dem Südosten, dem Osten und dem Nordosten. Die Annexion Bosnien-Herzegowinas, eines langjährigen Unruheherdes, erwies sich als der ultimative strategische Fehler, der dann zum Ende der Monarchie führen sollte. Alle Nationen unter habsburgischem Schirm wollten das „Joch der Habsburger“ abschütteln – hatte das Herrscherhaus doch mit dem ungarischen Ausgleich insbesondere die böhmischen und mährischen Verbündeten verprellt, die, anders als die aufständischen Ungarn, stets die Macht der Habsburger Krone loyal verteidigt hatten, jetzt aber leer ausgingen. So war die Saat des Zerfalls gesetzt.
Am 10. Juni 1910 eröffnet der 24-jährige bosnische Serbe Bogdan Zerajic in Sarajevo das Feuer auf den habsburgischen Statthalter Bosnien-Herzegowinas General Varesanin. Fünf Schüsse gibt er ab, mit der sechsten und letzten Kugel richtet er sich selbst. Mit seiner Tat wird Zerajic zum Vorbild der radikal-nationalistischen Jugend, die ihn für seinen erfolglosen Tyrannenmord zum Idol erhebt. Der spätere Attentäter Gavrilo Princip, der 1914 Franz Ferdinand ermorden wird, besucht am Vortag jenes Attentats, das den Ersten Weltkrieg auslösen wird, Zerajics Grab und schwört Rache für seinen Tod.
Grundthema: der beginnende Zerfall der Donaumonarchie
Historisches Tableau: Badeni-Krise, Annexion Bosnien-Herzegowina, Föderalismus
Figuren: Joseph Retter, Bogdan Zerajic
Regionen: Steiermark, Bosnien-Herzegowina
Folge 08 | Die Medizinhochburg Wien
Vor über 650 Jahren lassen sich die Ursprünge der medizinischen Lehre in Wien ausmachen; international relevant wird der Medizinstandort Wien mit dem holländischen Leibarzt Maria Theresas - Gerard van Zweiten; er gestaltet das österreichische Gesundheitswesen um und führt den klinischen Unterricht ein; Semmelweis revolutioniert die Hygiene, Billroth die Chirurgie und die Bakteriologie; Anfang des 20. Jahrhunderts ist Wien der medizinische Olymp.
Im Juli 1873 kam es, nachdem am 1. Mai die Weltausstellung eröffnet worden war, ein letztes Mal (mit einer kurzen Ausnahme während des Ersten Weltkrieges) zum Ausbruch einer über Ungarn und Galizien eingeschleppten Choleraepidemie. Davon betroffen waren vor allem Personen aus den unteren sozialen Schichten, die konzentriert unter katastrophalen hygienischen Bedingungen in den Vorstädten auf engsten Raum lebten und unter der unzulänglichen Trinkwasserversorgung, der mangelhaften Wasserqualität und der fehlenden Abwasserbeseitigung litten. Im Oktober – nachdem die Choleraepidemie abgeklungen war - wurde die erste Wiener Hochquellenleitung eröffnet. Für viele zu spät…
Der Epidemiologe Anton Drasche war Primar im sogenannten „städtischen Choleraspital“, der Krankenanstalt Rudolfstiftung, wo er die 1873 in Wien ausbrechende Choleraepidemie zu bekämpfen hatte.
Grundthema: die medizinische Revolution Ende 19. Jahrhundert
Historisches Tableau: Cholera-Epidemie, Weltausstellung, Wiener Hochquell-Leitung
Figuren: Anton Drasche
Regionen: Wien
Folge 09 | Das Ende der Dienstboten
Dienstpersonal nach dem Vorbild des Adels gehört lange Zeit auch für das aufstrebende Bürgertum zum guten Ton; Bedienstete leben im Haus und sind gegen Kost und Logis - teils ohne Bezahlung und persönliche Rechte - rund um die Uhr verfügbar; für unverheiratete Frauen vom Land ohne Berufsausbildung oft die einzige Aussicht auf ein Überleben; mit dem Ende der Monarchie löste sich dieser Berufsstand weitgehend auf.
Der 14jährige Vorzugsschüler Meinrad Hämmerle aus Dornbirn muss von der Schule abgehen, obwohl er – neben seiner grafischen Hochbegabung – das Zeug und den Willen zur höheren Bildung gehabt hätte. Doch die neun jüngeren Geschwister und die Mutter sind auf ihn als Brötchenverdiener angewiesen. Meinrad muss einen Posten als Diener bei einem reichen Industriellen annehmen.
Die Dienstbotin Cäcilie Zwicker (26) aus Krems, seit dem Alter von 13 in Stellungen, hilft der Polizei als Lockvogel beim Überführen eines lange gesuchten Verbrechers. Sie verliert sofort ihre Stelle, da ihre Herrin meint, sie würde sich bestimmt wie eine Dame aufführen, wenn sie die hohe Ergreifer Prämie erhält. Cäcilie stellt sich in vielen Haushalten vor, findet aber keine neue Stelle, weil sie aus der Zeitung bekannt ist.
Grundthema: Dämmerung der überkommenen Hierarchien
Historisches Tableau: Aufstieg der Sozialdemokratie
Figuren: Helene Gasser, Meinrad Hämmerle
Regionen: Vorarlberg, Niederösterreich
Folge 10 | Konsum und Fremdenverkehr
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wird ersten Teilen der Gesellschaft durch wirtschaftliche, industrielle und sozialpolitische Entwicklungen eine Art „Freizeit“ ermöglicht; über diese Zeit können die Angestellten erstmals frei verfügen - die Geburt der Freizeit- und Konsumgesellschaft als Massenphänomen.
Anhand des größten Versandhändlers der K. & K. Monarchie für Waren aller Art, EMIL EMANUEL STORCH soll in diesem Film ein Bild vom "neuen" Unternehmertypus gezeichnet werden, der mit allen Mitteln und scheinbar um jeden Preis Märkte schuf und somit auch Konsum für die Landbevölkerung ermöglichte.
Er kreierte wie ein Magier Utopien in den Köpfen seiner Kundschaft (ohne erkennbare ethische oder moralische Verantwortung). Er wurde als Jude jedoch auch selbst Opfer der antisemitischen Grundstimmung (Karl Lueger). Ihm werden die Leidtragenden der Entwicklung zur Überflussgesellschaft gegenübergestellt. Die Arbeiter:innen, die Dienstbot:innen (Stichwort: Umgang mit Menschen als Objekt.) Doch sein Konzept "Waren aller Art" zu "billigsten Preisen" hatte seinen Preis, 1924 ist er bankrott und nimmt sich das Leben.
Parallel erzählt sich die Geschichte der Radrennfahrerin Cenzi Flendrovsky, die Tochter eines migrierten Taglöhners, der mit einem kleinen Gemischtwarenhandel ins Kleinbürgertum Wiens aufstieg. Auch wenn sie zur damaligen Zeit als Rennfahrerin noch eine Ausnahmeerscheinung ist, so steht sie auch für die Anfänge der zunehmenden Möglichkeiten (die erst Jahrzehnte später für viele Realität wurden und zählt zu den sozialen "Aufsteigern", weil sie, durch ihre errungenen Siege Kaufkraft erlangte und so auch als Konsumentin (in ihrem Rahmen) selbstbestimmt agieren...
Grundthema: Freiheiten und Vergnügungen der Gesellschaft zulaufend auf 1. Weltkrieg
Historisches Tableau: Großkaufhäuser, Werbung
Figuren: Cenzi Flendrovsky, Emil Emanuel Storch
Regionen: Wien, Niederösterreich
Koproduktion | Clever Contents GmbH und ORF III
Förderung | Fernsehfonds Austria, Filmfonds Wien und Land NÖ
Partnerschaft | Stadt Wien, Burghauptmannschaft Österreich
Genre | Dokumentation
Gestaltung |
Folge 1 - Max Jakobi | Philipp Aleksiev
Folge 2, 8 - Alexander Frohner
Folge 3 - Christian Papke
Folge 4, 9 - Susanne Pleisnitzer
Folge 5, 7 - Florian Riedelsperger
Folge 6 - Birgit Mosser | Max Jakobi | Philipp Aleksiev
Folge 10- Marleen Paeschke
Produktionsleitung I Ronald Graf
Länge | 10 x 45 Minuten
Produktionsjahr | 2024
Erstausstrahlung | Dezember 2024 auf ORF III
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